Leseprobe:
Jetzt
aber ist Doris schon wieder derart in Panik, dass sie Kristina
zusammenstaucht. Traurig und enttäuscht schaut sie ihre Mutter an –
so wie ein Hund, der nicht weiß, weshalb er Prügel bekam. Doch
Doris reagiert nicht auf das stille Flehen ihres Kindes, da sie mit
ihrem eigenen Stress absolut überfordert ist.
Ein
weiteres Mal zieht die Asthmatikerin an ihrem Spray, bevor sie sich
deprimiert in die Küche zurückzieht.
„Ach
nun komm schon“, redet der Draußenstehende auf die 35-Jährige
ein, „ich will dir doch nur zeigen, dass ich mich gebessert habe.
Im Knast habe ich gelernt, was mir wirklich wichtig ist.“ Einen
Augenblick ist Stille, bevor er fortfährt: „Ich trinke auch
nicht mehr, und ich hab mich unter Kontrolle ... ehrlich.“
„Wenn
du das alles weißt, und du dich angeblich gebessert hast, dann
beweise es mir, indem du verschwindest. Wir wollen nichts mehr mit
dir zu tun haben“, gibt Doris mit zitternder Stimme von sich.
Der
hinter der Tür Stehende lässt nicht locker. „Aber ich liebe dich
doch noch immer. Und Kristina auch. Ich will doch einfach nur sehen,
wie es euch geht.“
„Hier
gibt es für dich nichts zu sehen, das Kapitel mit dir ist
abgeschlossen. Und wir haben keine Lust, auch nur im Entferntesten
etwas mit dir zu tun haben zu wollen.“ Sie bewegt ihre Augen
lauschend und geht vorsichtig auf die Tür zu, um zu schauen, ob der
41-Jährige noch immer im Hausflur steht. „Und wenn du nicht sofort
verschwindest, rufe ich die Polizei.“
Diese
Aussage scheint dem Ruhestörer zum Nachdenken zu zwingen. Doch
dieser Schein trügt. Wieder klopft Robert an die Tür; ganz sanft.
Freundlich bittet er um Einlass. Doris aber weiß, dass diese seichte
Art nur gespielt ist, denn sie kennt den Mann draußen vor der Tür
haargenau. „Ich habe dir gesagt, dass du verschwinden sollst“,
bittet sie etwas gelassener. „Ich lass dich nicht rein. Weshalb,
das weißt du genau.“
Dann
bullert Robert vor Wut heftig gegen die Tür, woraufhin sie vibriert.
Kurz ist Stille - eine unheimliche Stille, die Doris Angst macht. Es
scheint ihr, als wäre diese bedrückende Ruhe ein schlechtes Omen;
als wäre die unangenehme Stille böses Gedankengut Roberts. Und sie
weiß, dass er sich überlegt, wie er es doch noch schaffen könnte
in die Wohnung zu kommen. Irgendetwas plant er jedenfalls, und das
kann nichts Gutes bedeuten.
Die Novelle "Panik"
Wie die bereits vorgestellte Novelle "Der Unfall" ist auch "Panik" Bestandteil der Anthologie Coldcut, welche mit insgesamt 240 Seiten als Softcover erhältlich ist.
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